Samstag, 6. Juli 2013

Umzug

Da ich ja entgegen eigener Aussagen eine Trendhure bin, bin ich jetzt zu Wordpress umgezogen.

Die neue Adresse lautet: https://brotherwrong.wordpress.com/

Man möge mir mein flatterhaftes Wesen verzeihen.


Herzmarketing

Als ich gestern in meiner neuen Stammkneipe "Heart Rock Café" saß und zwei guten Freundinnen von meinem heldenhaften Kampf gegen die Unbillen des Lebens im Allgemeinen und die Herz-Arrhythmie  im Besonderen erzählte ("eigentlich halb so wild, passiert jeden Tag zigtausendfach, aber ich war trotzdem ganz schön heldenhaft") und die Details einer Kardioversion schilderte (Ich gebe zu, ich habe den Verlauf vielleicht etwas dramatisiert, aber was weiß ich schon vom Ablauf einer Kardioversion? Ich war doch jedesmal im Feenland auf einem Regenbogen-kackenden Einhorn unterwegs) und ich die Damen eigentlich schon allein aufgrund der Eloquenz meiner Berichterstattung kurz vor dem Zustand sexueller Raserei hatte, beugte sich ein Notebook bewehrter fast schon schablonenhaft klassischer Vertreter (oder "Sales Roadwarrior" wie sich so mancher glorifizierter Klinkenputzer heute gerne selbst-verliebt nennt) zu uns herüber und eröffnete das Gespräch mit dem folgenden Satz: "ich habe gerade unfreiwillig ihrem Gespräch gelauscht und ich hätte da was für Sie." 
"Unfreiwillig"? Was wurde mir hier unterstellt? Dass ich dem Mann mit meiner penetranten Lautstärke eine Abenteuergeschichte reinster Lupe aufgezwängt hatte? Ohne weitere Entschuldigung wurde uns ein Flyer der Firma ZOLL auf den Tisch geknallt. "Können Sie ja mal mit Ihrem Arzt besprechen", blinzelte mir der Handlungsreisende verschwörerisch zu und suchte wieder Deckung hinter seinem aufgeklappten Laptop. 
Nun bin ich ja jemand, der ein geschickt eingeläutetes Verkaufsgespräch zu schätzen weiß. Wenn mir obendrein noch ohne größere Erklärungen eine Broschüre überreicht wird, die mir das Produkt ganz ohne Vertriebs-Sprech näherbringen will, bin ich natürlich endgültig Feuer und Flamme, zumal der Mann uns doch eindeutig zu verstehen gegeben hatte, aufgrund unseres Gespräches das ideale Produkt für mich parat zu haben. Also möchte ich hier kurz auf das Produkt näher eingehen. Das präsentierte Produkt trug den Namen "LifeVest" (Ja, mit Binnenmajuskel und zusammengeschrieben. Wie StudentInnen. Schauderhaft)

Die LifeVest der Firma ZOLL ist ein tragbarer Defibrillator, der diskret unter der Kleidung getragen wird. Als ich die dazugehörige Abbildung sah, wusste ich sofort, warum der Mann meinte, das Produkt sei wie für mich geschaffen. Wie ein Pistolenhalfter für eine .38 Smith & Wesson schmiegt sich die LifeVest an den wohltrainierten Körper (ich war überrascht wie detailgetreu mein Sixpack auf der Abbildung zu erkennen war). Doch etwas machte mich stutzig. Wie viele Herzpatienten mit einem gemeißelten Körper wie dem meinen waren wohl da draußen? Wie groß war der Markt für ein derartig spezielles Produkt. Als ich dann noch die weiteren Abbildungen in der Broschüre betrachtete, wurde mir schnell klar, dass die LifeVest wohl ursprünglich als Diätgerät (Electrical Muscle Stimulation) konzipiert war und man wahrscheinlich durch Hochschrauben der Leistung auch den undefinierten Körper als Kunden gewinnen wollte. 
Jedenfalls sollte die untenstehende Abbildung verdeutlichen, dass man die LifeVest ganz diskret unten drunter tragen konnte. Niemand würde ahnen, dass man eigentlich einen Stammplatz auf des Todes Schippe hätte. Also fast niemand.
Abb. 1: LifeVest - Der Defibrillator für den durchtrainierten Bodyguard
Ignorieren Sie also bitte das Steuergerät am Gürtel oder kleben Sie einen "Sony Walkman" Sticker darauf. So sind Sie auf einen Schlag (hihi!) Retro und sind auch bei den jungen Leuten wieder "voll angesagt". Die Funktion ist relativ selbsterklärend. Im Fall der Arrhythmie (schlechte Wortspiele zu diesem Thema gab es bereits in einem früheren Artikel), gibt's einen mit dem Elektropaddel um den Herzmuskel. Dieser Automatismus führte sofort zu meiner ersten Frage an den Cardio-Kaufmann. Betrachten wir zunächst Abb.2 dieses Artikels:  
Abb.2 "Gleich kracht's, Du Schürzenjäger!"

Zunächst fiel mir natürlich die Enttäuschung im Gesicht des abgebildeten Herrn auf. Wollte er auch einen Sony Walkman oder ist er nur niedergeschlagen weil seine Begleitung so viel sportlicher daher kommt als er? Er scheint zu sagen: "Böh... doof. Ich wollte auch so ein Technikspielzeug". Denn wir Männer sind letztendlich doch alle gleich. Zumindest in dieser Angelegenheit. Wenn etwas aussieht, als wäre es bei Saturn erhältlich, wollen wir es haben. Es darf nur nicht ZU sehr nach Weißware aussehen, wobei es wirklich sehr männliche Kühlschränke gibt (so mit Eiswürfel-Maker und speziellem Bierfach). Waschmaschinen und Trockner brauchen schon mindestens Internetzugang um überhaupt von Männern wahrgenommen zu werden. 
Aber meine Frage beruhte mehr auf dem leicht schuldvollen Blick des Herrn und der fast schon mit diebischer Freude zu beschreibende Blick der Dame. Findet hier gleich einer der ältesten Scherzartikel den Weg in die Neuzeit? Ist die Stehfrisur des Herrn Zeuge vorheriger Fotoshootings? 
Abb.2: Früher wusste man noch zu feiern!
Ich musste es genauer wissen. Ich deutete auf die Fotografie und fragte den Vertriebsleiter Ruhrgebiet-West der Firma ZOLL, ob dieses Bild nicht missverständlich sei und ob so ein Scherz denn nicht schmerzhaft UND gefährlich werden könnte. 
"Ahahaha", künstelte der Sales-Profi, "das Gerät gibt nur dann einen Schock ab, wenn der Patient ohnmächtig ist." 
Auf die Frage, woher das Gerät denn wisse, wann die Ohnmacht eingetreten sei, verwies er auf eine Art "Tote-Mann-Taste". Erneut warf ich ihm Irreführung, Sexismus und auch ein wenig Geschmacklosigkeit vor. Wäre hier nicht vielleicht eine elegantere oder zumindest weniger negativ konnotierte Namensgebung angebrachter? Insbesondere im Lichte der versprochenen lebensrettenden Eigenschaft seines Produktes "LifeVest". Es hieß ja auch nicht "Dead Man's Vest", was wiederum rein Marketingtechnisch ein absoluter Selbstläufer wäre. 
Meine kostenlosen Tipps in dieser Hinsicht wurden aber nur mit einem irritierten Blick abgetan. (Undankbarer Patron!). Er fuhr kommentarlos fort, dass der Patient bei der Feststellung einer Arrhythmie vom Gerät dazu aufgefordert würde diese Taste zu drücken. Wird diese Taste dann während einer Arrhythmie losgelassen, entfaltet die LifeVest ihren ganzen Zauber. 
Ich zitiere aus der Infobroschüre: 
"Für umstehende Personen hörbare Warnung: 'Den Patienten nicht berühren' oder 'Umstehende Personen dürfen nicht eingreifen'" 
Fast erwartet man, dass aus dem Sony Walkman eine Schutzmann-Attrappe fährt und die gesamte Szenerie vollautomatisch mit Flatterband abgesperrt wird.

An diesem Feature fielen mir aber zunächst zwei andere Dinge auf: Da wäre zuerst einmal das Wörtchen "oder". 
Wie bestimmt das Gerät, welche Floskel angebrachter ist? Zum Beispiel bei einer Dinnerparty des Vorgesetzten des LifeVest-Trägers erscheint "Den Patienten nicht berühren" zu direkt, ja geradezu schon persönlich. Es wirkt, als unterstelle das Gerät den Zeugen des Geschehens versuchten Taschendiebstahl oder gar Nekrophilie. (Eine Störung der Totenruhe darf aber aufgrund der "LifeVest"-Ansage wohl nur in den seltensten Fällen anzunehmen sein.
Kurzum: In einer solchen gesellschaftlich diffizilen Situation wäre wohl die zweite Variante höflicher und weniger anmaßend. 

Allerdings weist auch diese Variante gewisse Schwächen in der Formulierung auf und könnte zu Fehlverhalten der Anwesenden führen. Was ist denn, wenn sich trotz gehobenem sozialen Event, nekrophile Taschendiebe unter den Gästen befinden, die sich (mangels einer aus fehlgeleiteter sozialer Unbehaglichkeit unterlassenen entsprechenden Ansage des Gerätes) sofort rücksichtslos am vermeintlichen Leichnam zu schaffen machen. Die "umstehenden Personen" könnten die Autorität des Gerätes überbewerten und die potentiellen Leichenschänder gewähren lassen und eben "nicht eingreifen". Schließlich hat ihnen das eine entsprechende Durchsage des Sony Walkmans, den die gerade scheinbar dahingeschiedenen Chefsekretärin der Personalabteilung am Gürtel trägt, mit fester elektronischer Stimme eingebläut. 
Da aber laut Broschüre, der nächste Schritt in der Behandlungssequenz bereits "7. Behandlungsschock" ist, würden die Missetäter schnell ihr blaues Wunder erleben, wenn der vermeintlich hilflosen Person plötzlich mehrere tausend Volt durch den Körper schießen. Insofern kann man die Bedenken hinsichtlich der zweiten Variante der Warnansage außer acht lassen. Der Patient trägt schließlich einen sehr potenten Diebstahlschutz. 

Geht man nun davon aus, dass das Produkt nicht mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet ist, die soziale Anlässe erkennen und auf ihre potentielle Peinlichkeit analysieren kann, bleibt nur noch eine Konfiguration durch den Anwender. Ich fragte also den Verkäufer, ob vielleicht nicht doch eine Art Zufallsgenerator die abzugebende Warnung wählt oder ob der Träger der LifeVest die Wahl eigenverantwortlich vornehmen müsse. 
Und wenn man schon selbst Hand anlegen müsse, ob man denn vielleicht auch andere Ansagen verwenden könne. Vielleicht könnte man so etwas wie Klingeltöne von der Webseite des Herstellers herunterladen. Oder ob man vielleicht analog dazu wie man einst lustige Anrufbeantworteransagen selbst erstellen konnte, man nun die LifeVest mit humorigen Warnrufen versehen könnte. "Bitte halten Sie Abstand, wir sind gleich wieder für Sie da"?, "Achtung! In wenigen Sekunden werde ich einen neuen Rekordversuch im Breakdance vornehmen!" oder auch "Es ist Kindern nicht gestattet, während der Defibrillation auf mir zu reiten". Oder man könnte lustige Promistimmen verwenden: Kaiser Franz: "Ja äh gut äh jetzt kommt halt ein Stromstoss! Den muss er reinmachen" oder irgendwie was mit Angela Merkel oder so. Jedenfalls ist das humoristische Potential scheinbar endlos und ich bin mir sicher, hier kann man noch viel Geld verdienen. 

Auch diesbezüglich ernteten meine Vorschläge nur einen eher verwirrten, fast schon angewiderten Blick des Händlers. Meine Begleitungen hatten ihre ursprüngliches Interesse an dem Produkt jedenfalls verloren, suchten sie doch auffällig in ihren Handtaschen und unter dem Tisch nach etwas wonach Frauen scheinbar ständig suchen, wenn Männer über Technik fachsimpeln.

Wie oben erwähnt, waren mir aber zwei Dinge an Punkt 6 der Behandlungssequenz aufgefallen:
"Für umstehende Personen hörbare Warnung: 'Den Patienten nicht berühren' oder 'Umstehende Personen dürfen nicht eingreifen'".
Ich fand den Zusatz "Für umstehende Personen hörbar" eigentlich überflüssig. Ich versuchte mich in den Verfasser der Bahndlungssequenz zu versetzen. Warum dieser Zusatz? Mir wurde schnell klar, dass auch hier wieder der bereits oben vermutete Scherzartikel-Aspekt ausgeschlossen werden sollte. Mir war zwar durchaus bewusst, dass die Kardiologie eine weitgehend trostlose und oft auch blutige Angelegenheit ist, aber dass sie so ohne jeden Humor auskommen musste, stimmte mich fast schon ein bisschen traurig. 
Wie viele Anekdoten an Stammtischen, auf Kegeltouren und Gartenfesten könnten mit den folgenden Worten beginnen: "Ach Elsbeth, weisse noch wiede den Herzkasper hattest und dein Walkman irgendwat genuschelt hat? Und ich dusselige Kuh halt noch mein Ohr an dat Teil. Die Frisur hattich aaacht Wochen, hömma!"? 
Wäre so ein Abend nicht direkt viel freudvoller? Viel kommunikativer? Man hätte doch praktisch immer eine Geschichte auf der Pfanne und immer was zu lachen. 

Aber wie gesagt: Kardiologen sind ein humorloser Haufen.

Inzwischen waren meine Begleiterinnen schon seit längerem gemeinsam auf der Toilette (was treiben die Weiber da immer so lange? Niemand braucht 45 Minuten zum Pinkeln) und der Vertreter der Firma ZOLL wirkte etwas nervös. 
Zu seiner sichtlichen Freude erschien aber kurz darauf ein Repräsentant des an das "Heart Rock Café" angeschlossenen Krankenhauses. Mein neuer Vertrauter im Kardio-Geschäft schien sehr erpicht darauf, das anstehende Geschäftsgespräch zu führen, schlug aber einen Ortswechsel vor, da "hier so viele Spinner rumhängen". 

Ich werde mir auf jeden Fall eine LifeVest bestellen. Vielleicht kann ich ja über meinen neuen Bekannten direkt noch ein Abo für die neuen Ansagen raus schlagen. Und wenn ich keine Arrhythmie mehr habe, kann ich ja die Spannung runterdrehen und noch ein bisschen Electro-Body-Forming machen.




Freitag, 28. Juni 2013

Facebook hat mein Leben verändert - Teil 1: Hunger?

Was habe ich eigentlich vor Facebook anders gemacht?

Ich stelle diese Frage, weil ich den Eindruck habe, dass sich doch das eine oder andere in meinem alltäglichen Leben verändert hat. 
Vielleicht sollte ich vorher noch die Einschränkung machen, dass ich kein "Hardcore-User" bin, auch wenn andere dem vielleicht widersprechen würden.

Ich kann zum Beispiel noch eine Mahlzeit zu mir nehmen, ohne sie vorher abzufotografieren und meinem gesamten Bekanntkreis (inklusive Arbeitskollegen, Ex-Freundinnen und Leuten, die ich irgendwann mal für irgendwelche Spiele zu meinen "Freunden" hinzugefügt habe) das resultierende Bild meiner Currywurst (scharfgemacht) und Pommes Rot/Weiß (womöglich mit einem Kommentar "Pommes Schranke. LOL") zukommen zu lassen. 

Warum sollte ich das tun? Welchen Nutzen ziehen ich oder mein Bekanntenkreis aus so einer Information? Erwarte ich Feedback? ("Boah, das sieht aber lecker aus!", "Iiiih, mit Mayo?!", "Eine hervorragende Wahl")? Brauche ich die Bestätigung bei der Wahl meiner Mahlzeit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben? Vielleicht hoffe ich ja auch, dass im Falle einer schweren Krankheit mein behandelnder Mediziner durch meine Facebook-Chronik blättert und anhand der dort gefundenen Aufreihung meiner Mahlzeiten den Verdacht eines gefährlichen tropischen Viruses entkräften kann. (Notiz an mich selbst: Unbedingt mehr Mediziner zu meinen "Freunden" hinzufügen!). Vielleicht erwartet mich ja auch eine Zukunft als Restaurantkritiker und so könnte ich für meine Bewerbung schon mal ein paar Arbeitsproben einreichen. 

Und welchen Nutzen haben die Empfänger dieser Mahlzeiten-Chronik? Könnten sorgenvolle, befreundete Ernährungsberater sich endgültig Bestätigung ihrer jahrelangen Befürchtungen einholen? (Notiz an mich selbst: Arrogante Ernährungsberater umgehend von der "Freundes"-Liste entfernen). Vielleicht könnten meine "Freunde" zu einem Jubiläum (Geburtstag, Dienstjubiläum, 5-jährige Mitgliedschaft bei Facebook) eine lustige Collage meiner spannendsten Desserts erstellen? 

Kurzum: Ich esse meine Mahlzeiten ohne die Weltöffentlichkeit vorher darüber zu informieren.
Ich muss gestehen, dass ich mich einmal dazu habe hinreißen lassen und möchte an dieser Stelle auch gerne besagtes Posting zur Beweisaufnahme zur Verfügung stellen:

25 October 2012 via Camera Awesome · 

Ich renne ja sonst nicht jedem Trend hinterher, aber diese Nahrungsmittelfotografie schien mir ein veritabler Freizeitspaß zu sein. Da ich ohnehin schon ein nicht unerhebliches Gefühl von Stolz für meinen höchstselbst (auf-) gebackenen Apfelstrudel in mir hegte, griff ich einfach zu meinem digitalen Tausendsassa und machte diese Aufnahme. Da der Trend verlangt, das Lichtbild auch der breiten immer hungrigen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, habe ich es einem sozialen Netzwerk zur Veröffentlichung zukommen lassen (die jungen Leute nennen dies auch gerne ganz flapsig "Posten"). 
Jetzt, da der Apfelstrudel bildlich der Masse gereicht wurde, muss ich gestehen, dass ich mir diesen Trend aufregender vorgestellt habe. Aber vielleicht habe ich ja auch irgendwas dabei falsch gemacht.
 

Die auf diese Veröffentlichung folgenden Kommentare bestätigen aber meine Vermutungen von oben. Eigentlich interessiert es keine Sau, was ich wann und wo esse. 
Aber vielleicht sollte ich es mal mit anderen Lebensmitteln ausprobieren. Vielleicht ist so ein Apfelstrudel auch einfach zu Mainstream (Notiz an mich selbst: Alle Hipster aus der "Freundes"-Liste werfen oder auf Fotografie von Starbucks White Chocolate Truffle And Raspberry Cheesecake“ umsteigen)



Samstag, 22. Juni 2013

Heart-Rock Café



Es gibt ja viele Meilensteine im Leben eines Mannes. Ich sage das mit der Arroganz eines Mannes "mittleren Alters" (also irgendwas zwischen 40 und 50), der die eine oder andere dieser Stationen schon abgehakt hat. Sicherlich werden Männer "in den besten Jahren" (also irgendwas im "erektilen Dysfunktion-Alter") dem noch das eine oder andere hinzuzufügen haben, z.B. was es mit den "besten Jahren" so auf sich hat. Einige dieser Meilensteine im Leben eines Mannes erscheinen zum Zeitpunkt ihres Eintretens eher leise und klein.
Zum Beispiel das erste Mal ohne Stützräder auf dem Fahrrad zu fahren. Ich habe übrigens zu diesem Meilenstein in meinem damals noch jungen Leben meinen Vater  als "Arschloch" bezeichnet. Ich weiß nicht, zu welcher Art Mensch mich das nun macht, denn das war nun wirklich nicht sehr nett, aber ich fühlte mich im Recht. Schließlich verhinderte er nicht, dass ich nach erfolgreichem Absolvieren 200 Metern perfekter Balance mit meinem Drahtesel einfach so umfiel. Dabei war er doch nur 200 Meter entfernt und Väter haben für einen Sechsjährigen ja sowieso Superkräfte. Also zumindest der eigene. Also wäre es doch ein Leichtes gewesen, die Neigung des Fahrrades so zu korrigieren, dass mein Knie nicht den frischen Teer des Kimmeskampweges küssen musste. Nicht so für meinen Vater.
In meinem jungen Geist stellte sich also die Untätigkeit meines Vaters als reine Faulheit seinerseits dar und war er nicht Lehrbeauftragter für mein unfallfreies Fahrradfahren? Ich fand, dass er da mit einem "Arschloch" noch ziemlich gut bedient war, auch wenn dies die fast ultimative Beleidigung in meinem damals noch stark limitierten Schimpfwortschatz war. Schlimmer war vermutlich nur noch "Kackapipiarschsack", was aber nicht zuletzt aufgrund des beißenden Schmerzes in meinem linken Knie nicht wirklich rund von der Zunge gehen wollte. Wie gesagt vielleicht wäre es in dieser Situation auch eher mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Aber eigentlich wollte ich gar nicht über diesen Meilenstein sprechen.

Einschulung, der erste Sex (heutzutage übrigens gar nicht mehr zwingend in dieser Reihenfolge), das erste Mal "Star Wars" sehen, das erste Auto, Ausbildung oder Studium, berufliche Erfolge. Alles völlig irrelevant und nur Fußnoten im Leben eines Mannes. Auch wenn Fußnoten sicherlich wichtig sind (an dieser Stelle bitte einen Plagiatswitz eurer Wahl einsetzen, aber bitte mit Quellenangabe), so gibt es Dinge, die so aus der Masse der High- und Lowlights heraus ragen, dass sie hier einfach einzeln erwähnt werden sollten.
Ich rede hier von der ernsten Miene eines Arztes, der irgendwas von Arrhythmie erzählt. 
Ich selber habe nie die Erziehung einer Waldorfschule genossen und bezweifle auch heute noch Sinn und Zweck der Fähigkeit den eigenen Namen tanzen zu können. Ich vermute, dass jetzt meine gesamte Leserschaft in den Personalabteilungen des deutschen Mittelstandes Augen verdrehen und etwas von "Soft Skills" murmeln, allein ist mir in meinem bisherigen Berufsleben noch keine Situation untergekommen in der mein getanzter Name einen wesentlichen Verhandlungsvorteil gebracht hätte. 
Nachdem ich ca. 15 Minuten über Vor- und Nachteile der Eurythmie schwadroniert hatte, unterbrach mich der Arzt um dieses grauenhafte Wortspiel zu beenden. Ich hatte offensichtlich massive Herzrhythmusstörungen, die der sofortigen Aufmerksamkeit eines geschulten Teams von Medizinern bedurften. Der darauf folgende Behandlungsmarathon mit den unterschiedlichsten Behandlungsmethoden (seltsamerweise beinhalten die meisten dieser Methoden elektrischen Strom. Da ich weder im Biologie- noch im Physikunterricht richtig aufgepasst habe, hat sich mir der Zusammenhang erst nach längeren Erklärungen mit kruden Zeichnungen und einem possierlichen Stofftier namens Herbert Herzkammer erschlossen. Ich würde es in diesem Artikel erklären, aber ich habe gerade kein Stofftier da) zog sich über insgesamt 2 Monate und hatte zur Folge, dass ich meinen 40. Geburtstag mit Wasser begoss (an dieser Stelle nochmal danke an alle die da und auch nach 23 Uhr noch der Muttersprache mächtig waren und mich nicht versuchten auf "EIN SCHNÄPPSCHEN GEHT DOCH!" einzuladen) .
Aber unabhängig von den Strapazen und Unannehmlichkeiten bedeutet so eine Diagnose vor allem eines: Der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Endlich ist Mann in den mittleren Jahren angekommen und in der Midlife Crisis gelandet. Ich hätte persönlich hätte mir auch lieber eine Harley gekauft, aber sowas zahlt die Kasse ja nicht. Oder nen Segelschein, aber ich glaube so etwas ist einfach nicht Rock'n'Roll genug für eine Midlife Crisis. Aber endlich dürfte man Herrenwitze erzählen, die einem Herrn Brüderle die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Endlich dürfte ich mir ein Auto mit Sitzheizung kaufen. Endlich dürfte ich über die Musik in den Top Ten die Nase rümpfen und dabei den ewigen Generationskonflikt heraufbeschwören. 
Andererseits müsste ich nun auch auf Ü40 Parties gehen (bei Ü30 Parties wird man ja schon als welker Sexgreis betrachtet). Von meinen Erlebnissen auf einer Studentenparty werde ich in einem anderen Artikel berichten müssen. 
Die erste Diagnose ist nun anderthalb Jahre her und mir wurde mit vielen Fachvokabeln erklärt, dass ich ja nun geheilt wäre und mein Herz auf ewig im Sinusrhythmus schlagen würde. Das ist eigentlich so als hätte man gerade die Unsterblichkeit verliehen bekommen. Unbesiegbar, unsterblich und unvernünftig verließ ich damals das Krankenhaus und freute mich auf das erste Bier in acht Monaten. Seitdem habe ich bestimmt alles andere als gesund gelebt, aber das war ja auch gar nicht nötig. Ich war ja unsterblich. Das wurde mir jetzt nochmals bestätigt, als ich erneut ca 6 Wochen mit unbehandelten Herzrhythmusstörungen durchs Leben ging. Laien wie Fachleute waren perplex und wussten sich das nicht zu erklären. Was für ein unglaublicher Herzmuskel muss in dieser unbehaarten Brust schlagen? 
"Sie haben nichts davon gemerkt???" - Natürlich nicht. Warum sollte ich? Ich bin doch unsterblich. 
Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass ich scheinbar tatsächlich im "mittleren Alter" angekommen bin. Mit allen Vor- und Nachteilen. (Wobei die Liste der Vorteile im Moment noch reichlich kurz ist).
Das ändert auch nichts an der Tatsache, dass ich in der Cafeteria des Krankenhauses sitze und diese Zeilen schreibe. Die Cafeteria heißt "Heart-Rock Café". Da fand ich mein Arrhythmie/Eurythmie Wortspiel irgendwie besser.

PS: Mir ist bewusst, dass Eurythmie mehr beinhaltet, als den eigenen Namen tanzen zu können, aber auch diese zusätzlichen Inhalte würde in einem Vorstellungsgespräch mit mir nicht die Einstellungschance erhöhen. 


Freitag, 21. Juni 2013

Noch ein Blog?

Warum dieses Blog?
Eigentlich sollte jeder ein Blog haben (ist das richtig? Das Blog? Doch... Google meinte bei der Erstellung irgendwas von das Blog). Da kann dann ein jeder (so wie ich) sich in Tiraden über den Alltag, die Kleinigkeiten in selbigem oder über die ganz ganz große Weltpolitik austoben. Vielleicht möchte man sich ja auch über etwas sehr spezifisches aufregen? "Special Interest Anger" könnte man sowas nennen. Oder "Atze's Warum Android Immer Besser Ist Als Appel Blog und Forum" (sic!).
Jeder von uns kann sich über irgendwas aufregen. Ich glaube selbst Gandhi hat sich im stillen Kämmerlein über die schwindende Qualität in der Sandalenmanufaktur echauffiert und dabei auch den einen oder anderen unpazifistischen Gedanken in Richtung seines Schusters geschickt. (Lustige Anmerkung an dieser Stelle: Ich habe mich vertippt und "unpazifischen Gedanken" geschrieben. Da ich nicht weiß was unpazifisch bedeuten könnte, sollten wir dieser kleinen Anekdote keine weitere Aufmerksamkeit schenken. Sie hat sich ohnehin schon ungefragt ziemlich in den Vordergrund gedrängt). Wenn also selbst ein in sich ruhender Mensch wie Gandhi dem eigenen Schuster Montezumas Rache an den Hals wünscht (Wichtig: diese Vermutung ist historisch NICHT belegt!) dann kann doch wohl auch ein Herr mittleren Alters ein wenig quengelig auf die Unbillen des Alltags blicken.

Oft wird so was ja gerne humorig verpackt. Das ist dann der sogenannte "Observational Humour" (Fachbegriff!) oder "Beobachtende Humor". Der ist angeblich lustig, weil er wahr ist. Da werden dann kleine, aber prägnante Alltagssituation mit spitzer Zunge und einem Augenzwinkern durch den Kakao gezogen. Formulierungen wie "durch den Kakao gezogen" - auch wenn ausgerechnet diese Formulierung von Kästner groß gemacht wurde - sind für gewöhnlich selten ein Hinweis darauf, dass der so angekündigte Beitrag ein Feuerwerk humoristischer Meisterleistungen abfackelt. Denn sind wir doch mal ehrlich: Wenn man sich die Essenz eines solchen Vortrages auf der Zunge zergehen lässt, kommt man doch eigentlich nicht um den Schluss herum, dass der Autor sich a) doch nur über Kleinigkeiten aufregt und b) meint, das auch noch einer breiteren Öffentlichkeit mitteilen zu müssen um c) dafür Applaus oder gar monetäre Anerkennung zu erhalten. Das ist in dem Moment vielleicht lustig, aber letztendlich ist es doch nur ein lustiger Korinthenkacker. Soll man über sowas lachen? DARF man über sowas lachen?

"Aber, aber!" höre ich da den virtuellen Aufschrei in der Blogosphäre... (Nicht dass dieser Text jemals wirklich Teil der Blogosphäre sein könnte, aber "Blogosphäre" ist so ein SUPER-Wort, dass ich das schon immer mal in einem wie auch immer gearteten Text/Lied/Operettenzyklus verwenden wollte)...
Ich will hier kurz einen durchschnittlichen erfolgreichen, gut aussehenden Leser dieser Zeilen beispielhaft zitieren:
"Aber, aber. Nach gründlicher Lektüre des ersten Abschnittes dieses zugegebenermaßen wohlrecherchierten (Kästner! Supi!) und hirnschmeichelnden Artikels drängt sich mir der Eindruck auf, dass auch DU, lieber Autor, nichts anderes bist als ein lustiger Korinthenkacker. Und ich verwende das Wort "lustig" hier im allerweitesten Sinne, weil... sind wir doch mal ehrlich..., Witze über Gandhi? Echt jetzt?"

Als kritikoffener und publikumsnaher Autor stelle ich mich solchen Fragen gerne und habe selbstverständlich auch eine Antwort parat. Sogar mehrteilig.

  1. Der Teil bis "Korinthenkacker" ist nicht als Frage formuliert. Kann ich nicht beantworten. Weiter...
  2. Witze über Gandhi  die ihn nicht mit einer Kalaschnikow in der Hand darstellen sind subtile Bonmots, die ein präpubertärer Naivling wie Du gar nicht würdig ist zu lesen. Echt jetzt!
  3. Die Kästner-Passage war aber wirklich supi, oder? Google ist einfach unverzichtbar.


Nachdem ich also mit der Fangemeinde Konsens gefunden habe, kann ich mich der ursprünglichen Frage dieses Artikels widmen.
Warum dieses Blog? Und da kommt dann dieser unglaubliche Hammer-Titel des Gesamtblogs zum Tragen: BÄM... "Warum auch nicht?"

Zugegebenermaßen ein eher unbefriedigendes Ende dieses Artikels, aber ihr kennt ja vermutlich auch diesen revolutionsauslösenden, unerschütterbaren Entschluss: JETZT schreibe ich ein Blog!!! Aber irgendwie hat man dann doch plötzlich keine Lust mehr. Wie die oben erwähnten Revolutionen. Wer weiß, wie viele Revolutionen wir deswegen schon verpasst haben?

PS: Ich glaube den nächsten Artikel schreibe ich ausschließlich über die Korrekturvorschläge von Blogger/Google. Comedy Gold!