Freitag, 28. Juni 2013

Facebook hat mein Leben verändert - Teil 1: Hunger?

Was habe ich eigentlich vor Facebook anders gemacht?

Ich stelle diese Frage, weil ich den Eindruck habe, dass sich doch das eine oder andere in meinem alltäglichen Leben verändert hat. 
Vielleicht sollte ich vorher noch die Einschränkung machen, dass ich kein "Hardcore-User" bin, auch wenn andere dem vielleicht widersprechen würden.

Ich kann zum Beispiel noch eine Mahlzeit zu mir nehmen, ohne sie vorher abzufotografieren und meinem gesamten Bekanntkreis (inklusive Arbeitskollegen, Ex-Freundinnen und Leuten, die ich irgendwann mal für irgendwelche Spiele zu meinen "Freunden" hinzugefügt habe) das resultierende Bild meiner Currywurst (scharfgemacht) und Pommes Rot/Weiß (womöglich mit einem Kommentar "Pommes Schranke. LOL") zukommen zu lassen. 

Warum sollte ich das tun? Welchen Nutzen ziehen ich oder mein Bekanntenkreis aus so einer Information? Erwarte ich Feedback? ("Boah, das sieht aber lecker aus!", "Iiiih, mit Mayo?!", "Eine hervorragende Wahl")? Brauche ich die Bestätigung bei der Wahl meiner Mahlzeit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben? Vielleicht hoffe ich ja auch, dass im Falle einer schweren Krankheit mein behandelnder Mediziner durch meine Facebook-Chronik blättert und anhand der dort gefundenen Aufreihung meiner Mahlzeiten den Verdacht eines gefährlichen tropischen Viruses entkräften kann. (Notiz an mich selbst: Unbedingt mehr Mediziner zu meinen "Freunden" hinzufügen!). Vielleicht erwartet mich ja auch eine Zukunft als Restaurantkritiker und so könnte ich für meine Bewerbung schon mal ein paar Arbeitsproben einreichen. 

Und welchen Nutzen haben die Empfänger dieser Mahlzeiten-Chronik? Könnten sorgenvolle, befreundete Ernährungsberater sich endgültig Bestätigung ihrer jahrelangen Befürchtungen einholen? (Notiz an mich selbst: Arrogante Ernährungsberater umgehend von der "Freundes"-Liste entfernen). Vielleicht könnten meine "Freunde" zu einem Jubiläum (Geburtstag, Dienstjubiläum, 5-jährige Mitgliedschaft bei Facebook) eine lustige Collage meiner spannendsten Desserts erstellen? 

Kurzum: Ich esse meine Mahlzeiten ohne die Weltöffentlichkeit vorher darüber zu informieren.
Ich muss gestehen, dass ich mich einmal dazu habe hinreißen lassen und möchte an dieser Stelle auch gerne besagtes Posting zur Beweisaufnahme zur Verfügung stellen:

25 October 2012 via Camera Awesome · 

Ich renne ja sonst nicht jedem Trend hinterher, aber diese Nahrungsmittelfotografie schien mir ein veritabler Freizeitspaß zu sein. Da ich ohnehin schon ein nicht unerhebliches Gefühl von Stolz für meinen höchstselbst (auf-) gebackenen Apfelstrudel in mir hegte, griff ich einfach zu meinem digitalen Tausendsassa und machte diese Aufnahme. Da der Trend verlangt, das Lichtbild auch der breiten immer hungrigen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, habe ich es einem sozialen Netzwerk zur Veröffentlichung zukommen lassen (die jungen Leute nennen dies auch gerne ganz flapsig "Posten"). 
Jetzt, da der Apfelstrudel bildlich der Masse gereicht wurde, muss ich gestehen, dass ich mir diesen Trend aufregender vorgestellt habe. Aber vielleicht habe ich ja auch irgendwas dabei falsch gemacht.
 

Die auf diese Veröffentlichung folgenden Kommentare bestätigen aber meine Vermutungen von oben. Eigentlich interessiert es keine Sau, was ich wann und wo esse. 
Aber vielleicht sollte ich es mal mit anderen Lebensmitteln ausprobieren. Vielleicht ist so ein Apfelstrudel auch einfach zu Mainstream (Notiz an mich selbst: Alle Hipster aus der "Freundes"-Liste werfen oder auf Fotografie von Starbucks White Chocolate Truffle And Raspberry Cheesecake“ umsteigen)



2 Kommentare:

  1. Lieber Herr Thielen,

    Sie schieben das immer auf Facebook. Dabei hat erstens) Facebook gar nichts mit Ihnen gemacht, keine Daumenschrauben angelegt, nicht die Augäpfel rausgeknabbert oder Ihre Essensgewohnheiten buchstäblich umgerührt. Das alles steckt in Ihnen. Zumindest was die Nahrung angeht und da auch nur insofern, als ... naja, Sie wissen schon.

    Und zweitens) warum gibt niemand StudiVZ, mySpace - das war ja teilweise arg böse für die Augen, völlig verständlich also, dass man das mit Essen zu kompensieren suchte - oder G+ oder diesem Dings, Xing, ein wenigstens Mitschuld?

    Man kann Facebook und die genannten anderen, sofern Sie da mal subscribed haben, vielleicht mitverantwortlich dafür machen, dass Sie Ihr Mitteilungsbedürfnis (wieder-?) entdeckt haben.

    Und dass Sie nun Ihre Mahlzeiten verzehren, ohne zuvor die Weltöffentlichkeit (darüber) zu informieren: Sie verdammter Rebell!

    Herzliche Grüße

    stets der Ihre

    mit Magenknurren im, äh, Magen

    *dirktatore (il grande)

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  2. Wow. Ich bin nicht allein. Essen essen ist ja schon mal das grausamste was man einem Essen antun kann, dies aber vor der "Hinrichtung" auch noch abzufotografieren hat fuer mich schon perverse Zuege und das ganze Massaker dann auch noch der Welt zu praesentieren ist fuer mich der Gipfel der Grausamkeit. Wann kommt endlich die Charta der Grundrechte fuer gutes Essen?

    P.S. Pommes mit Mayo ist Satan aber das wisst Ihr Saupreussen natuerlich nicht

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